Gefangen zwischen gefrorenen Teichen
Die Landschaft unter der Anhöhe geht nach Süden und Südwesten in eine ausgedehnte Ebene über, die zur Zeit der Schlacht von zwei großen Teichen bedeckt war – sie hießen Měnínský und Žatčanský. Der erstere war mit seinen 514 Hektar eine der größten Wasserflächen in Mähren. Von der Kapelle aus sah Napoleon weit in den Süden hinein und hatte eine vollkommene Übersicht über die drei russischen Kolonnen im Tal, die von zwei Seiten von den französischen Regimentern bedrängt wurden[14].
Die Anhöhe von Prace läuft oberhalb von Újezd auf den Hügel Stará hora hinauf. Am Nachmittag wurde der gesamte Kamm dieser Anhöhe von Tausenden französischen Soldaten besetzt. Gegen Ende der Schlacht gingen sie denselben Abstieg an, den morgens die Alliierten unternommen hatten. Diese waren nun wie in einer Zange gefangen. Von den Anhöhen im Norden wallte eine Unmenge von Soldaten auf sie nieder – die Divisionen von Saint Hilair und Vandamme, die Dragonerdivision von Boyé und sechs Bataillone von Oudinots Grenadieren. Auf der anderen Seite stand ihnen bei Telnice und Sokolnice Davout mit Friauts Division gegenüber. In den Reihen der Alliierten brach Panik aus. Der Fluchtweg war fast abgeschnitten. Die Franzosen griffen sie von links und von rechts überwältigend an. Wer noch Kraft und Glück für einen Rückzug hatte, dem blieb nur der Weg nach Süden übrig. Dort stand den Soldaten aber ein unangenehmes Hindernis im Weg – die beiden Teiche. Wenn das Leben eines Soldaten auf dem Spiel steht, hat er nicht viel Zeit, über die gewählte Vorgangsweise nachzudenken. Besonders, wenn er keine Wahl hat. Die Masse der alliierten Soldaten flüchtete entlang des schmalen Dammes. Es schien, dass die Situation nicht mehr bedrohlicher sein könnte. Aber sie konnte. Ihr Rückzug wurde nämlich von französischen Kanonenschüssen begleitet – es wurde ein Munitionswagen getroffen, der den Damm blockierte. Den fliehenden Einheiten blieb also nichts anderes übrig, als über die gefrorene Wasserfläche des Žatčanský-Teiches zu laufen. Dieser Rückzugsweg war aber sehr riskant, denn während der warmen Tage vor der Schlacht war die Eisdecke erheblich dünner geworden. Und wirklich – das Eis hielt der Belastung nicht stand. Laut der französischen „Nachkriegs“ - Propaganda waren die Verluste durch Ertrinken wahrlich riesig. Das waren aber reichlich übertriebene Formulierungen. Nach verschiedenen schriftlichen Quellen wurden nach dem Ablassen des Teiches zwar einige Dutzend tote Pferde und Kanonen gefunden, aber nur zwei oder drei tote russische Soldaten. Es heißt auch, dass das Eis unter den fliehenden Soldaten infolge des Beschusses durch die französischen Kanonen, die bei der Kapelle des Hl. Antonius standen, durchgebrochen sei. Auch das ist eine etwas übertriebene Behauptung, denn es handelt sich um eine Entfernung, die außerhalb der Schussweite der damaligen französischen Artillerie lag. Jedenfalls war das Ende der Schlacht für die Alliierten, insbesondere für die Russen, die in diesem Abschnitt des Schlachtfeldes die Mehrheit bildeten, buchstäblich fatal. In der Umgebung der Teiche konnten sich nur armselige Reste der russisch-österreichischen Armee in Sicherheit bringen. Wer nicht getötet wurde, kam in französische Gefangenschaft[14]. Kurz nach vier Uhr wurde es dunkel und die Dunkelheit beendete wie ein Theatervorhang diesen Akt der napoleonischen Kriege. „Ich habe schon viele verlorene Schlachten gesehen, aber von so einer Niederlage hätte es mir nie geträumt!“ schrieb der russische General Langeron in seine Aufzeichnungen.
Újezd u Brna liegt etwa 15 km südöstlich von Brünn und gehört zu den ältesten Gemeinden in der Region. Steine aus dem hiesigen Steinbruch in Stará hora wurden auch für den Bau des Friedensdenkmales benutzt. Über dem Ort nimmt sich die bereits erwähnte Kapelle des Hl. Antonius von Padua aus, welche mit den Franzosen viel gemeinsam hat. Die napoleonischen Soldaten sollen hier ein Heulager gehabt haben. Nach der Schlacht bei Austerlitz verfiel die Kapelle langsam, bis sie im Jahr 1814 gänzlich zerstört und um 49 Jahre später neu erbaut wurde. An der Erneuerung der Kapelle beteiligte sich auch der französische Historiker und spätere Präsident der III. Französischen Republik, Louis Adolphe Thiers, der Újezd u Brna persönlich besuchte. An die Stelle, wo Napoleon das Ende der berühmten Schlacht verfolgte, können Sie auch heute noch aufbrechen. Wegen der umliegenden Vegetation werden Sie aber nicht den Ausblick, den Napoleon hatte, genießen können. Die Kapelle liegt heute nämlich inmitten einer Kleingartenkolonie. Wenn Sie aber etwas weiter westlich vom Rastplatz gehen, öffnet sich auch heute noch der Blick auf das Kriegsfeld.
Von der Fischerei zum Anbau von Zuckerrüben
Der Ort Žatčany ist der südlichste Punkt des Schlachtfeldes. Seit unter den Bewohnern bekannt geworden war, dass ein Teil der alliierten Armee auf dem Grund des Teiches lag, sank der Absatz der dortigen Fische schlagartig ab. Das Herrschaftsgut verzeichnete große Verluste und ließ die beiden Teiche deshalb später ablassen. Zu ihrer Trockenlegung trug angeblich auch Napoleons kontinentale Blockade bei, während derer Europa keinerlei Waren aus Übersee bezog, vor Allem Zucker nicht. Der Zuckermangel musste behoben werden und gerade dies war einer der Impulse für die Entwicklung der Zuckerindustrie in Südmähren. Die Gründe der Teiche eigneten sich gut für den Anbau von Zuckerrüben und Weizen[2]. Die damalige Position des Teiches ist auch heute noch im Gelände sichtbar. Über den auffälligen Damm führt heute die Straße nach Hodonín. Falls Sie dort gerade nicht spazieren gehen möchten, können Sie auch einen Radausflug unternehmen. Hier führt nämlich der Radweg „Auf den Spuren von Kaiser Napoleon“ durch, der die wichtigsten Punkte der Schlacht von Austerlitz verbindet. Er ist ungefähr 37 Kilometer lang und beginnt und endet in Šlapanice. Am Damm bei Žatčany sollten Sie sicherlich auch die ehemalige Mühle besuchen. In ihrem Dachgiebel finden Sie fünf eingemauerte Kanonenkugeln aus der Schlacht. In der Gemeinde befindet sich auch eine der ältesten Kirchen in Mähren, deren Entstehung bis ins 12. Jahrhundert datiert wird.