Mähren von Napoleon
europäische Geschichte in Greifnähe
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3 / Der Schlachthof auf dem Krautmarkt

Zelný trh 8, 659 37, Brno
(+ 420)533 435 280
www.mzm.cz

GPS: 49.1919781N, 16.6086136E

3 / Der Schlachthof auf dem Krautmarkt

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Wenn die Brünner heute über das Kopfstein-pflaster des Krautmarktes („Zelný trh“) spazieren und ins Theater oder nur Gemüse einkaufen gehen, denken sie wohl gar nicht mehr daran, was dieser Platz alles erlebt hat. Schon fast 800 Jahre lang werden auf dem Platz, der im Volksmund „Zelňák“ genannt wird, verschiedene Waren verkauft. Während der Schlacht bei Austerlitz bekam er allerdings ein neues, blutiges Antlitz. Einige der hiesigen Gebäude dienten außerdem als Unterkünfte für bedeutende Personen oder als Gefängnisse für Kriegsgefangene.
 

Der einäugige General Kutusow


Vor der eigentlichen Schlacht bei Austerlitz, die am 2. Dezember 1805 stattfand, zog ein Teil der russischen Armee auf dem Rückzug vor den Franzosen an der Stadt vorbei und marschierte weiter in die Umgebung der Stadt Vyškov (zu Deutsch Wischau). Nur General Kutusow, der Oberbefehlshaber der Bündnisarmee, übernachtete mit seinem Stab im Dietrichstein-Palais auf dem Krautmarkt. Dieser russische General diente schon seit seinem sechzehnten Lebensjahr in der Armee. Er zeichnete sich durch ein hervorragendes Gedächtnis und Beredsamkeit aus und war angeblich schlau wie ein Fuchs. Er hatte sich zum Beispiel in den russisch-türkischen Kriegen ausgezeichnet, wo er aber eine schwere Verletzung erlitten hatte und auf einem Auge erblindet war. An den russischen General erinnert heute eine weiße Gedenktafel an der Fassade des Dietrichstein-Palais auf dem Platz.

Ein Stück weiter, in der Dominikánská-Gasse Nr. 2, erinnert eine weitere Gedenktafel an einen anderen Besiegten aus der Schlacht bei Austerlitz. Das war kein anderer als Kaiser Franz von Habsburg. Es ist interessant, dass er in Wirklichkeit Franz I. und auch II. war. Im Jahr 1792 hatte er als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (zu dem auch die österreichischen und tschechischen Länder gehörten) den Thron bestiegen und den Namen Franz II. getragen. In demselben Jahr wurde er auch zum böhmischen und ungarischen König. Im Jahr 1804 ließ er sich zum österreichischen Kaiser krönen. Als das Heilige Römische Reich im Jahr 1806 unterging, büßte er den Titel des römischen Kaisers ein und blieb weiterhin nur als Franz I. der österreichische Kaiser und der König von Böhmen und Ungarn.

Für Brünn war er auch deshalb so bedeutend, weil dank seinem Dekret das Mährische Landesmuseum entstand, das damals unter dem Namen Franzensmuseum bekannt war. Der Mittelpunkt des heutigen Mährischen Museums ist eben der Dietrichstein-Palais auf dem Krautmarkt. Hier kann man im Rahmen der Ausstellung Erloschenes Leben in Mähren mitten im Paläozoikum landen und die bekanntesten mährischen Fossilien kennenlernen. In den anderen Expositionen sind die verschiedensten archäologischen Funde auf dem mährischen Gebiet oder zum Beispiel eine Sammlung von Mineralen zu bewundern.

Der Gemüsemarkt wurde durch einen riesigen Schlachthof ersetzt


Nach der Abreise von Kutusow und der Besetzung Brünns durch Napoleons Truppen wohnte der französische Marschall Lannes in diesem Gebäude. Die Aussicht aus seinem Fenster war aber nicht gerade schön. Der Krautmarkt wurde nämlich in dieser Zeit zu einem riesigen, blutigen und übelriechenden Schlachthof. Die Franzosen verlangten von der Stadt Brünn täglich 26 000 Pfund Fleisch, was etwa 23 Rindern entsprach. Die Bauern aus den umliegenden Höfen und Gemeinden lieferten ihr Vieh ab und die Franzosen schlachteten es direkt auf dem Krautmarkt. Damals wurde noch nicht besonders auf irgendwelche hygienischen Normen geachtet und überall lag der strenge Geruch von Schlachtresten.

Eine bedeutende Rolle spielte damals noch ein weiteres bekanntes Gebäude auf dem Krautmarkt – das Theater Reduta, das heute das älteste Theatergebäude in Mitteleuropa ist. Die Franzosen hielten dort nach der Schlacht bei Austerlitz die russischen Gefangenen fest. Später richtete die französische Armee dort auch ein Krankenhaus ein und brachte hierher verletzte Soldaten, die eines Transports vom Schlachtplatz fähig waren. Einer von jenen, die von den Sanitätern nach Brünn gebracht wurden, war auch der schwer verletzte General Thiébault. Der Durchschuss durch seinen Körper hatte neben Organverletzungen auch unglaubliche sieben Knochenbrüche zur Folge. Niemand gab ihm wirkliche Überlebenschancen. In der Vorahnung seines nahenden Todes hielt auch Napoleon selbst eine kurze Trauerrede: „Es kann keinen schöneren Tod geben,“ sagte er über den General. Dank der hervorragenden medizinischen Versorgung entging der General aber wie durch ein Wunder dem Tod. Das gesamte Interieur des Theaters Reduta wurde während des Krieges stark in Mitleidenschaft gezogen. Dies trieb den damaligen Mieter des Theaters namens Mayer in den Ruin – er verließ Brünn im Jahr 1807. Heute ist das Theater Teil des Brünner Nationaltheaters. Auf dem Spielplan findet der Besucher tschechische Erstaufführungen, und zwar sowohl Theater- als auch Oper- und Ballettaufführungen. Außerdem können sich Kunstliebhaber auf regelmäßige Ausstellungen, Konzerte und Vorträge freuen.

Der Brunnen Parnas und der Brünner Untergrund


Der barocke Brunnen Parnas ist ein stummer Zeuge des Aufenthaltes der französischen Armee in der Stadt und auch das Wahrzeichen des Krautmarktes. Inmitten des Brunnens befindet sich eine felsige Klippe, in deren unterem Teil Sie den mythischen Helden Herakles sehen können. In einer Hand hält er eine Keule, mit der anderen zieht er eine Kette mit dem Wächter der Unterwelt, dem Hund Kerberos, zu sich heran. Eine weiteres, touristisch interessantes Ziel ist der Brünner Untergrund, dessen Gänge sich teilweise direkt unter dem Krautmarkt befinden. Sie werden einen historischen Weinkeller, eine Alchymistenwerkstatt, Beispiele der Lagerung von Lebensmitteln und auch Folterwerkzeuge zu sehen bekommen. Einen weiteren Teil des Brünner Untergrundes bildet der Münzmeisterkeller unterhalb des Dominikánské-Platzes. In Brünn ist auch das zweitgrößte Beinhaus in Europa zu sehen. Es liegt unterhalb der Kirche des Heiligen Jakob auf dem Jakubské-Platz, wo sich zehntausende menschliche Skelette befinden oder zum Beispiel auch das Grabmal des berühmten Verteidigers der Stadt Brünn gegen die Schweden, Raduit de Souches.