Mähren von Napoleon
europäische Geschichte in Greifnähe
mein Ausflug
6 / Das Kloster in Rajhrad

Klášter 1, 664 61 Rajhrad
(+ 420) 547 229 136
rajhrad.muzeumbrnenska.cz

GPS: 49.0891039N, 16.6156289E

6 / Das Kloster in Rajhrad

vorherig weiter

Der Name Rajhrad, auf Deutsch in etwa „paradiesische Burg“, stammt bereits von den alten Slawen aus dem 8. Jahrhundert, die hier ihre befestigte Siedlung bauten. Die Burgstätte in Rajhrad ging um rund 100 Jahre später unter. Dank der vorteilhaften Lage an einer Kreuzung von Handelswegen verschwand der Name Rajhrad nicht aus dem Bewusstsein. Der Ort wurde zu einem natürlichen Wirtschaftszentrum und im 11. Jahrhundert entstand hier eine Gemeinde, die 200 Jahre später zu einer Kleinstadt erhoben wurde und das Recht erwarb, einen siebentägigen Jahrmarkt zu veranstalten. Das häufigste Ziel der Besucher ist das Benediktinerkloster, das das älteste Kloster in Mähren ist. Der Klosterkomplex wird schon seit einigen Jahren umfangreich rekonstruiert, was eine allmähliche Öffnung der Klosterräume für die Öffentlichkeit ermöglicht. Sein attraktivster Teil ist sicher das Denkmal des Schrifttums in Mähren, das zu den TOP-Ausflugszielen in Südmähren gehört.

Schriftliche Quellen als Spiegel der Zeit


Auf zwei Stockwerken stellt sich die ganze mährische Geschichte so dar, wie sie in schriftlichen Belegen der Zeit festgehalten wurde. Die interaktive Exposition wird sicherlich das Interesse der Besucher wecken. Aus einzelnen Schubladen können Sie selbst Kopien verschiedener Bücher entnehmen. Sie finden hier seltene alte Handschriften, zum Beispiel die Aufzeichnungen des Erfinders des Blitzableiters namens Prokop Diviš. Aus der neuzeitlichen Geschichte dürfen die Handschriften von Vertretern der Belletristik und der Politik nicht fehlen (V. Nezval, P. Bezruč, T.G. Masaryk usw.). Das nachhaltigste Erlebnis ist aber zweifellos der Besuch der Klosterbibliothek. Die majestätischen Räumlichkeiten mit den schönen Deckenfresken und einem reichen Stuck- und Goldschmuck lassen einen staunend verstummen. Vor den Augen der Besucher werden die Benediktinermönche in den langen Kutten lebendig, die hier mit Demut, Fleiß und unendlicher Geduld sakrale Bücher auf Pergament abschrieben. Das hiesige Bucharchiv besteht aus unglaublichen 65 000 Bänden.

Durchzug der alliierten Armeen


Aus den Aufzeichnungen des Pfarrers von Rajhrad wissen wir, dass die hiesigen Bewohner vor der Dreikaiserschlacht die ersten Soldaten schon am 17. November sahen. „An diesem Tag zogen österreichische und russische Truppen ununterbrochen durch Rajhrad in Richtung Brünn und Tuřany, und das in einer solchen Eile, als ob sie die Franzosen im Rücken hätten,“ schrieb der Pfarrer Petr Seitl. Er vermutete richtig. Die Franzosen rückten wirklich schnell näher. Die zurückweichenden Russen wollten das Vordringen des Feindes verlangsamen und zündeten in der Nacht vom 18. auf den 19. November die neue Holzbrücke am Kloster an, welche über den Svratka-Fluss führte. Den Ortsbewohnern verboten sie unter Androhung der Todesstrafe, das Feuer zu löschen. Am folgenden Tag kamen die Franzosen tatsächlich in Rajhrad an. Das Korps von Marschall Murat marschierte auf der Kaiserstraße vor. Eine kleinere Abteilung bog in die Stadt und zum Kloster ab. Als die Soldaten auf die zerstörte Brücke trafen, wiesen sie die Obrigkeit an, eine neue zu bauen. Es wurde sofort mit dem Bau begonnen und die neue Brücke war in der Nacht fertig[8].

Später versetzte auch Marschall Davout seine 15 000 Mann von Wien nach Rajhrad. Er kam hier am Abend vor der Schlacht an, am 1. Dezember. Er quartierte sich im Speisesaal des Klosters ein und wartete auf Nachrichten über die Bewegung seiner restlichen Einheiten. Zuletzt kam auch die Division von Friant an, die den 113 Kilometer langen Marsch aus Wien über Mikulov innerhalb von 40 Stunden geschafft hatte. Davout war wohl der fähigste von Napoleons Marschällen. Er hatte dieselbe Pariser Kriegsschule wie der französische Kaiser absolviert. Er zeichnete sich durch Scharfsinn aus und konnte die Absichten des Feindes gut abschätzen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass laut Napoleons ursprünglichem Plan gerade seine Einheit eine bedeutende Rolle bei der Abwehr des Koalitionsangriffes im Bereich des Zlatý-Baches spielen sollte.

Das Kloster Rajhrad als provisorisches Spital


Nach der Schlacht bei Asterlitz wurden in der Klosterkirche einige Hundert russischer Soldaten gefangen gehalten. Auch zahlreiche Verwundete fanden im Benediktinerkloster Zuflucht. „In allen Schlafräumen der ausgedehnten Prälatur hallte das Wehgeschrei der Verletzten wider. Wir konnten ihre Wunden gar nicht ansehen. Wir erwiesen den Verwundeten verschiedene Arten der Nächstenliebe und schenkten ihnen Öl und Wein ein,“ beschrieb der Pfarrer von Rajhrad die Schrecknisse des 2. Dezember 1805. Die Kranken und Verwundeten blieben bis Ende Februar 1806 im Kloster. Es heißt auch, dass manche von ihnen auf Dauer in Mähren blieben und hier ihre Familien gründeten. Deshalb sind in Südmähren angeblich relativ häufig französische Nachnamen wie Bíza, Galet, Foret, Remeš oder Šalé zu finden[16]. Es ist aber zu betonen, dass es sich wahrscheinlich eher um vereinzelte Fälle handelte. Nach dem französischem Recht gelten solche Soldaten nämlich als Deserteure. Aus der Sicht der Österreicher war dagegen jeder Franzose ein Feind. Die meisten ans Tschechische angepassten französischen Nachnamen in Südostmähren stammen noch aus der Zeit vor der Dreikaiserschlacht. Vor allem an den herrschaftlichen Hof in Hodonín, also nach Čejč, Krumvíř und Terezín, kamen ungefähr in der Mitte des 18. Jahrhunderts Dutzende französische Familien. Sie wurden von Franz I. Stephan eingeladen, dem Gatten von Kaiserin Maria Theresia, welcher aus Lothringen stammte. Er wollte die verlassenen südmährischen Ortschaften mit seinen Landsmännern aus Frankreich besiedeln. Die Siedler ließen sich in Čejč und Umgebung nieder und ihre Nachkommen leben hier bis heute.

Heute ist Rajhrad dank seiner Lage und der guten Verkehrsanbindung ein Erholungsgebiet im Süden Brünns. Radfahrer schätzen ein umfangreiches Netz an Radwegen und auch die Touristen kommen auf ihre Kosten.